Vor dem Gesetz unsichtbar

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Saskia Sassen

Klimawandel, Bergbau oder Landraub: Der Lebensraum von immer mehr Menschen ist entweder massiv bedroht oder bereits verschwunden. Doch es gibt weder Rechte auf die sie sich berufen können, noch Gesetze, die sie schützen. Saskia Sassen gibt ihnen auf Stage 1 eine Stimme.

"20 Jahre haben wir gebraucht, um den Aralsee auszutrocknen", sagt die Professorin für Soziologie an der Columbia University. "Viele kleine Welten um diesen See herum sind jetzt verschwunden. Das ist ein massiver Verlust von Lebensraum." An Tag 2 spricht Sassen auf der re:publica TEN über Menschen, deren Heimat durch den Klimawandel, durch Bergbau, Landraub und wachsende Städte immer weiter zerstört wird.

Als Flüchtlinge werden diese Menschen nicht anerkannt, weil sie vor keinem Krieg fliehen. "Sie sind aber auch keine typischen Migranten, weil sie kein Zuhause mehr haben, zu dem sie zurückkehren können", so Sassen. Eine klare Rechtslage, Gesetze und verbindliche Regeln, um diesen Menschen zu schützen, gebe es bisher nicht. "Sie sind unsichtbar für das Auge des Gesetzes und für die Behörden. Wir müssen sie sichtbar machen."

Ob unbegleitete Kinder aus Zentralamerika oder die Rohingya in Malaysia: Die Ursachen für Flucht und Migration lassen sich nie auf einen einzelnen Grund reduzieren. "Die Menschen in Zentralamerika fliehen nicht nur wegen der Drogendealer. Und die Rohingya fliehen nicht nur vor den Buddhisten", sagt Sassen. Man müsse viel tiefer gehen, um die Ursachen zu verstehen. Der Verlust von Lebensraum spiele in diesen beiden Fällen eine wichtige Rolle.

Überall auf der Welt vertreiben große Firmen die indigene Bevölkerung von dem Land, auf dem sie seit Generationen gelebt hat, berichtet Sassen. Kleinbauern werden von großen Agrarbetrieben verdrängt, die vor allem Pflanzen für Biokraftstoffe anbauen. “Dabei gibt es keine Beschränkungen für Pestizide. Sie töten den Boden ab und dann ziehen sie weiter.” Und auch Staaten wie China, die in anderen Ländern Bergbau betreiben, tragen zu der Entwicklung bei. "Lebenswerter Raum schrumpft weltweit”, so Sassen. Das sei gerade erst der Anfang.

Foto: re:publica/Gregor Fischer (CC BY 2.0)

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