Ermächtigt durchs Netz

Das Refugees Emancipation-Projekt ermöglicht Internet-Zugänge für Flüchtlinge. Im heutigen Gastbeitrag erklären die GründerInnen ihre Motivation und was sie dazu antrieb.

Im Jahre 2000 gründete Chu Eben das Projekt Refugees Emancipation. Er und weitere AsylbewerberInnen, die in den 1990er-Jahren nach Deutschland gekommen waren, stellten schnell fest, wie sehr ihnen die deutsche Rechtslage zu schaffen machte – mit sozialer Abgrenzung, Residenzpflicht, fehlenden Bildungschancen, Lebensmittelgutscheinen und einigem mehr. Angesichts dieser Lage organisierten sie zusammen mit deutschen UnterstützerInnen Proteste und Demonstrationen in Flüchtlingswohnheimen und gründeten die Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg (FIBB).

Nach mehreren Jahren realisierten die OrganisatorInnen, dass sich ihre Situation trotz zahlreicher Demonstrationen und anderen Aktionen kaum geändert hatte. Meistens mussten sie nach ihren Kundgebungen zurück in ihre weit entfernten Flüchtlingswohnheime gelangen, wo sich wenig änderte. Weder ihre UnterstützerInnen noch die deutsche Zivilgesellschaft konnte wirklich verstehen, wie sich der Alltag in einem Flüchtlingswohnheim gestaltet.

Dann kam die Idee, einen Raum in den Wohnheimen einzurichten, der Flüchtlinge und deren UnterstützerInnen zusammen bringen sollte. Hier sollten sie sich auf der geistigen Ebene über Emanzipation, Ermächtigung und andere Themen austauschen und diskutieren. Zwar war damals ein Internet-Anschluss finanziell noch ziemlich aufwendig, aber es zeigte sich als die beste Plattform für Kommunikations- und Bildungszwecke. Chu Eben und fünf weitere Flüchtlinge entschlossen sich, sich grundlegende Computerkompetenzen anzueignen sowie das Linux-Betriebssystem zu erlernen. Ihre UnterstützerInnen an der Technischen Universität Berlin (TU) ermöglichten eine dreimonatige finanzielle Spende für die Transportkosten, die sie für einen Computerkurs an der LOTEC Berlin, einem Computershop und Info-Netzwerk, nutzten.

Im Jahre 2000 richtete die Gruppe ihr erstes Internet-Café in Potsdam ein, bald interessierten sich mehr und mehr Heimbetreiber für das Projekt. Es folgten weitere Internet-Cafés in deutschen Kleinstädten und Bezirken, wie in Bad-Belzig, Prenzlau, Luckenwalde, Eisenhüttenstadt, Berlin-Hellersdorf und Berlin-Marienfelde. Mittlerweile bekommt das Projekt wöchentlich Anfragen von anderen deutschen Initiativen, wie man das Konzept auch bei diesen vor Ort umsetzen könnte. Die größte Herausforderung für das Projekt ist jedoch nach wie vor, wie sich die TeilnehmerInnen von der Rolle als Opfer von Krieg und Vertreibung lösen können und stattdessen zu OrganisatorInnen werden, die eine Projektstruktur mit Logistik, Wissensaustausch, Finanzierung, deutschen Ämtern und HeimbetreiberInnen begleiten können.

Die zweite Herausforderung ist das Konzept der Flüchtlingsermächtigung. Es bleibt bis heute schwierig, die deutsche Zivilgesellschaft zu überzeugen, die Ermächtigung von Flüchtlingen zu akzeptieren.

Während der letzten Jahre war es wesentlich, auf engagierte Partner zählen zu können, die das Projekt mit Wissensaustausch, Hardware-Spenden, Personalentwicklung und Finanzen unterstützten. Studenten der TU Berlin, LOTEC, ADEFRA, einer Organisation von Afro-Deutschen, JungdemokratInnen/Junge Linke (JDJL) und viele mehr waren entscheidend in der Entwicklung des Projekts von reinen Internet-Cafés zu Wissenszentren. Andere Partner, wie etwa die Integrationsbeauftragte in Brandenburg, CCCB (Chaos Computer Club Berlin), Feifunk (ein Zusammenschluss für freies W-Lan), freiLand (ein selbstverwaltetes Kulturzentrum in Potsdam), die ThoughtWorks Software-Firma und die Dialogmarketing-Spezialisten von SNT spielen eine wichtige Rolle in der Projektverwaltung. Unterstützung kommt auch aus dem Ausland, wie beispielsweise von dem englischen DAIN Project (Digital Activist Inclusion Network).

Alltagserfahrungen mit Flüchtlingen zeigen, dass diese nach ihrer Ankunft in Flüchtlingswohnheimen neben Unterkunft, Kleidung und Verpflegung sofort auch Kontakt zu ihren Verwandten im Herkunftsland suchen. Dieser Kontakt geschieht in der Regel über das Internet (via Facebook, Skype, und anderen). Zugleich ermöglicht der Internet-Zugang, dass sich die Flüchtlinge über ihre Asylverfahren, Gesundheitsdienste und Bildungsmöglichkeiten informieren können. Jedoch ist die Ungewissheit bezüglich ihrer Rechtslage eine der größten Hürden, die die Flüchtlinge erdulden. Und das nimmt ihnen viel an Zuversicht für die unmittelbare Zukunft.

Refugees Emancipation ist der Meinung, dass sich die Zivilgesellschaft für alternative Lösungen stark machen sollte. Und für solche neue Lösungen ist eine starke politische Lobby-Arbeit notwendig.

Auch ist Refugees Emancipation davon überzeugt, dass das Internet und der Kommunikationszugang dazu Teil dieser neuen Lösungen sind – es bedarf aber noch mehr politischer Unterstützung. Das Projekt plant weitere Internet- und Computerräume für Flüchtlingsheime und entwickelt alternative Internet-basierte Ansätze zur Ermächtigung der Flüchtlinge. So könnten sich Flüchtlinge zum Beispiel durch das Internet-Radio, Facebook oder Online-Programme für Kinder darstellen und ausdrücken. Auch könnten sie über das Internet alternative Bildungswege nutzen, um etwa Deutsch in Online-Kursen zu lernen.

Bitte unterstützt deshalb die Spendenkampagne von Refugees Emancipation. Außerdem könnt ihr mit jedem #rpTEN-Ticket für das Projekt spenden. Mehr dazu auf der Ticket-Seite und in den FAQs. Dankeschön!

Bildernachweis: Refugees Emancipation

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