Der Tod des Hyperlinks

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Iranian blogger Hossein Derakhshan

Hossein Derakhshan, einer der federführenden BloggerInnen Irans, sprach an Tag 3 auf der Stage 1 der re:publica TEN über den langsamen Tod des intellektuellen Internets. In seinem Talk "The post-Web internet: Is the (the future of) television?" macht er als  Verursacher die sozialen Netzwerke aus.

Das Internet, wie es der iranische Blogger Hossein Derakhshan vor seiner sechs Jahre andauernden Inhaftierung schätzen lernte, existierte nach seiner Haftentlassung im November 2014 nicht mehr. "Sein" Internet war ein Internet der Hyperlinks, "die blauen, unterstrichenen Textpassagen in Blogeinträgen, die einen per Klick zu neuen Webseiten, neuen Welten transportieren." Mithilfe von Hyperlinks konnten BloggerInnen sich herausfordern, Argumente austauschen und eine Debattenkultur schaffen, so Derakhshan.

Das "neue" Internet sei jedoch von sozialen Netzwerken dominiert. BloggerInnen und AutorInnen nutzen nun Facebook, um ihre Texte zu verbreiten. Das Problem dabei: Facebook mag keine Verlinkungen auf andere Webseiten – alle Inhalte sollten auf ein und derselben Plattform, nämlich auf Facebook, abrufbar sein. Derakhshans Befürchtung: Das Internet laufe Gefahr, eine geschlossene, lineare und zentralisierte Plattform zu werden.

Facebooks Algorithmus interessiere, wenn es um die Bewertung von Informationen geht, nur zwei Aspekte: Wie neu diese sind, und wie viele "Likes" sie sammeln, also wie populär sie seien. Alle anderen Informationen würden vom Netzwerk vernachlässigt oder ignoriert. Dementsprechend würden Bilder hierfür zunehmend wichtiger als Texte. Das „frühere“ Internet als Bibliothek wandele sich in ein Internet als Fernsehkanal.

Die "Vorselektion" auf der Basis von Likes habe laut Derakhshan Konsequenzen: Erstens bekämen Nutzer dadurch nur noch Stars und Sternchen zu sehen, nicht aber die Schwierigkeiten, vor denen ältere Menschen oder Minderheiten stehen. Weiterhin würden die Nutzer nicht mehr mit weniger populären Sichtweisen konfrontiert.

Menschen betrachten Themen eindimensionaler und radikalisieren sich. Und mit ihnen radikalisiert sich die Politik gleich mit, was am Beispiel von Donald Trump und seiner Beliebtheit in den USA gut zu beobachten sei. Durch diesen Wandel würde, so überspitzte Derakhshan bewusst, jeder, der mehr als 140 Zeichen lange Texte lesen kann, als belesen gelten.

Hossein Derakhshan fordert deshalb, soziale Netzwerke zu verändern. Das Internet der Verlinkungen, das Internet als Bibliothek, müsse wieder zum Leben erweckt werden. Denn in Zeiten wie diesen, so Derakhshan, müsse das Internet die Menschen nicht "beruhigen", sondern vielmehr überraschen und herausfordern.

Foto: re:publica/Jan Zappner (CC BY 2.0)

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