Die Verblödung durch Smart Cities

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Sociologist Richard Sennett

Technologie zum Preis von totaler Kontrolle – so sieht Soziologe Richard Sennett die moderne Stadt als ein durch die Architektur bedingt absichtlich geschlossenes System. In seinem Talk "The City as an Open System" am Tag 1 der re:publica TEN fordert er ihre Öffnung.

Frankfurt? Shanghai? Wenn man mit dem Flugzeug landet, wird es immer schwerer zu erkennen, auf welchem Kontinent man sich gerade befindet. Moderne Städte werden immer ähnlicher. "Die immer gleichen Baustile und Gebäude sind eine Folge der Globalisierung", erklärt der Londoner Soziologe Richard Sennett. Als Ursache macht er die Investoren aus, die geschlossene Systeme bauen – große Gebäudekomplexe, die überall funktionieren, egal ob in Rio oder Delhi.

Diese interagieren aber nicht mit der Umgebung, sondern grenzen sich ab. Vor allem ärmere Menschen und Minderheiten sollen draußen bleiben. "Das sind soziale Silos, Proteste oder das tägliche Zusammentreffen mit anderen Schichten sollen verhindert werden", so Sennett. Auch Europa ist davon betroffen, nur die oberen 20 Prozent profitieren von Veränderungen in den großen Städten. "Ihre wirtschaftliche Situation ist sehr dynamisch, für die unteren 80 Prozent geht es nicht vorwärts", führt Sennett aus. "Und bei Konflikten platziert man beide Gruppen einfach möglichst weit voneinander entfernt."

Dabei wäre es nach Sennetts Theorie klüger, beide Gruppen nebeneinander zu platzieren: Wenn man Berlin-Neukölln und den Savignyplatz in Berlin-Charlottenburg kombinieren könnte, erhielte man nicht nur beide Elemente, also 1+1=2, sondern ein neues, offenes System, das mehr als nur addiert. "Beide Systeme sind gemeinsam mehr als zwei, da sie miteinander interagieren", sagt Sennett. Offene Städte müssen Grenzen verschwimmen lassen. Am Übergang zweier Welten ist am meisten los, zum Beispiel zwischen Land und Wasser. Diesen bewiesenen Effekt müssen moderne Städte nutzen.

Städte – und auch das Internet – wurden in den letzten 20 Jahren immer stärker zu geschlossenen Systemen. Große Firmen, die den Markt beherrschen, fördern diesen Prozess. "Das Google-Prinzip wird jetzt auch auf urbane Systeme angewandt. Vor allem IBM versucht ein Monopol für IT-Systeme, die Städte für Big Data brauchen, aufzubauen", warnt Richard Sennett. Für die Zukunft will er diesen Prozess umkehren und Big Data nutzen, um Monopole zu brechen. “Smart Cities verdummen die Menschen", sagt er. Dabei sollten die intelligenten Städte von morgen ihre Bewohner doch eigentlich schlauer machen.

Foto: re:publica/Gregor Fischer (CC BY 2.0)

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