#rpTEN-Speaker Aric Toler: Auf Spurensuche mit digitalem forensischen Journalismus

Aric Toler und Bellingcat nutzen digitale Forensik, um mit öffentlich zugänglichen Informationen Enthüllungsjournalismus zu betreiben.

Die klassische Auffassung von Enthüllungsjournalismus versteht darunter JournalistInnen, die unermüdlich nach bereitwilligen Quellen recherchieren oder durch Tausende von offiziellen (oder auch zugespielte à la Panama Papers) Dokumenten graben, um kritische Informationen zu sammeln. Doch viele der besten investigativen Berichterstattungen kommen nicht durch die Jagd nach geheimen, sondern durch die genaue Analyse von offenen und im Internet frei verfügbaren Informationen zustande. Genau das macht einen Großteil des digitalen forensischen Journalismus aus. Aric Toler und die unabhängige Enthüllungs-Webseite Bellingcat arbeiten in diesem Bereich.

Aric beherrscht slawische Sprachen und nutz diese Kompetenz zur Recherche und für die Berichterstattung über den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Sein Themenschwerpunkt liegt in Russlands militärischem Engagement und dem Absturz der Malaysia Airlines Flug 17, die an der russisch-ukrainischen Grenze 2014 abgeschossen wurde.

Er durchforstet das Netz und geht auf Spurensuche nach Informationen, die von russischen Internet-Usern hinterlassen wurden. Mit seiner Forschung deckt er zum Beispiel auf, wo genau einzelne Posts im Netz veröffentlicht wurden oder wieweit offizielle Nachrichten mit der Berichterstattung vor Ort nicht übereinstimmen. Diese Informationen sind meisten nicht vertraulich – es braucht nur einen Menschen mit der Bereitschaft, diese Informations-Masse zu sammeln und zu analysieren. Aric ist diese Person und seine technikorientierte Arbeit hat schon manche offiziellen Erklärungen der russischen Regierung in Frage gestellt.

In 2014 arbeitete Aric mit LeserInnen zusammen, um die Hintergrundbilder von einem in den sozialen Kanälen geposteten Foto eines russischen Soldaten zu analysieren. Dank Geotagging, Satellitenbildern und der Kraft von Crowdsourcing konnte Aric feststellen, dass das Foto in einem Dorf in der Nähe der ukrainisch-russischen Grenze aufgenommen wurde. Darüber hinaus stellte er fest, dass weitere Fotos innerhalb der Ukraine aufgenommen wurden. All dies machten die Aussagen der russischen Regierung, sie habe keinerlei militärische Präsenz in der Ukraine, fraglich. Eine weitere systematische Untersuchung der durch die russische Regierung freigegebenen Satellitenbilder warf viele Fragen auf, da sie anscheinend einen ukrainischen Luftabwehrstützpunk in der Nähe der Absturzstelle der MH17-Maschine zeigte. Durch Satellitenbilder von Google und anderen digitalen Ressourcen bewies Aric, dass die Bilder der russischen Regierung mit dem angegebenem Zeitraum nicht übereinstimmen konnten.

Das Schöne an digitalem forensischen Journalismus ist: Die Behauptungen von Aric und anderen Bellingcat-JournalistInnen basieren auf offen zugänglichen Informationen aus dem Netz. Das bedeutet, dass LeserInnen ermächtigt werden, Informationen selbst zu beurteilen. So können sie zu eigenen Schlussfolgerungen kommen, anstatt nur zu hoffen, dass offizielle Berichte fair und korrekt sind.

Auf der re:publica wird Aric mehr zu seiner Berichterstattung bei Bellingcat erzählen und neue Projekte vorstellen. Wir sind gespannt, wie Aric und seine KollegInnen die Grenzen des Enthüllungsjournalismus mit Hilfe neuer Technologien ausweiten.

@AricToler

Bildnachweis: Aric Toler

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