#rpTEN-Speaker: Trevor Paglen

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Trevor Paglen

Vor dem hoffentlich strahlenden Mai 2016 kommt bekanntlich noch der Berliner Winter. Und dem zu entfliehen, das kann man gerade niemandem verdenken. So finden wir etwa #rpTEN-Speaker Trevor Paglen diesen Monat in einem Taucheranzug vor der Küste Floridas. Schön für ihn, aber er ist da nicht auf Urlaub: Paglen führt eine Gruppenexpedition an, die sich zu den Unterwasserkabeln aufmacht, die "das Internet" auf andere Kontinente transportieren. Begleiten werden ihn wahrscheinlich nicht nur Naturfreunde, sondern auch viele Interessierte aus der Kunstwelt – der Tauchgang findet im Zuge der Art Basel Miami statt. Denn Trevor Paglen ist Künstler und hatte im letzten Jahr seine erste große Einzelausstellung in Deutschland. Sein spezielles Sujet: Er porträtiert das Schattensystem von Militär und Geheimdiensten. Er dokumentiert Flughäfen, Türschilder und Glasfaserkabel – diese Gegenstände werden nie ohne Grund eingefangen, sondern sind immer äußerliches Kennzeichen und Hinweis auf etwas im Verborgenen Stattfindenden. Auch andere haben sich vor ihm für die Leitfasern am Meeresgrund interessiert: Die NSA zapft an diesen Kabeln die Kommunikation der Bürger an.

Paglen ist beständig auf der Suche nach Knotenpunkten der "black world". So wird der gigantische, dennoch größtenteils unsichtbare Teil des US-Militärs und der amerikanischen Geheimdienste genannt, bestehend aus geheimen Codenamen, geheimen Orten und 52 Milliarden geheimen Dollar.

Der Künstler zieht mit seiner Kamera an die Punkte, die man übersehen soll, und vergrößert sie mit dem Objektiv bis zur Unkenntlichkeit. Seine Aufnahmen von verborgenen Flugbasen sind schemenhaft, seine Ästhetik schafft es, "Farbnebeln à la William Turner machtpolitische Kritik zu injizieren." Es geht um das Verhältnis von Geografie, Sichtbarkeit und Politik.

Dem Fotografen und Geografen ist daran gelegen, eine neue Art des Sehens zu fördern, die sich an den Prinzipien der Erkenntnistheorie orientiert. Man stelle generell viel zu wenige Fragen, sagt er: "Woher wissen wir, was wir zu wissen meinen? Was ist ein Beweis? Meine Fotografien stellen Behauptungen auf und ziehen gleichzeitig die Möglichkeit, etwas zu behaupten, grundsätzlich in Zweifel."

Dennoch geht es ihm, ähnlich wie Laura Poitras, für die er als Kameramann den Dokumentarfilm "Citizenfour" drehte, um "Art as Evidence" (vgl. eine Diskussion mit ihm im Kunstverein Frankfurt). In Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen und anderen KünstlerInnen recherchiert er sein Material gründlich. Über die Querverbindungen zwischen Dokumenten, Karten und Fotografien lassen sich Geschichten transportieren.

Letztes Jahr hat Paglen den "Eagle Eye Photo Contest" veranstaltet: In der letzten Zeit haben JournalistInnen und ForscherInnen in und außerhalb Deutschlands hart daran gearbeitet, die uns ständig umgebenden Überwachungslandschaften aufzuspüren und zu identifizieren. Solche Orte sollen nun als Foto-Motive festgehalten werden.

Die Tragweite, die Paglen Fotografien beimisst, lässt sich auch an seinem Projekt "The Last Pictures" darstellen: Ähnlich wie auf der Voyager Golden Record hat er für dieses Raumfahrtkunstprojekt 100 Bilder aus der Menschheitsgeschichte ausgewählt, die auf einer vom MIT entwickelten goldenen Trägerscheibe in den Weltraum geschossen werden, um dort kommenden Generationen – und vielleicht auch Außerirdischen – von den Zivilisationsleistungen und -verbrechen zu berichten. Über die Auswahl des Bildmaterials führte Paglen einen sehr interessanten Disput mit Werner Herzog (hier und hier nachzulesen).

Neben dem "Eindeutigen", Dokumentarischen fasziniert Paglen auch das Symbolhafte. Für seine Werkreihe "Symbology" sammelt und entziffert er seit Jahren die Badges und Abzeichen der Spezialkräfte in Geheimdiensten und Militär: Die Symbole und Insignien geben einen Einblick in zeitgenössische Militärkultur und beantworten Fragen, die historisch die Zuständigkeit der Mysterienkulte, geheimen Gesellschaften, Religionen und Mystiker waren: Wie stellt man etwas dar, das per Definition nicht sein darf?

Aktuell arbeitet Trevor Paglen an einem Projekt zu "Überwachung im Museum". Immer mehr Kulturstätten installieren mittlerweile biometrische oder demografische Überwachungssysteme im Namen des "Audience Development". So versuchen sie zu ermitteln, welchen Kunstwerken die meiste Aufmerksamkeit zuteil wird. Dagegen wünschen wir uns für die re:publica 2016 einen Rundumblick auf das spannenden Schaffen des Künstlers seit den 1990er-Jahren. Das wird auf jeden Fall spannend, einen visuellen Vorgeschmack gibt es für euch hier.

Bildernachweis: Trevor Paglen

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