#rpTEN-Speakerin: Kate Crawford und die Big Data-Angst

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Kate Crawford

Wäre ihr Leben eine Datensammlung, dann wäre der zugehörige Zahlensatz nicht ganz einfach zu interpretieren. Schließlich verkörpert die Australierin Kate Crawford das lebende Vollspektrum eines Renaissancemenschen: Sie publiziert, etwa für The Atlantic und The New Inquiry, ist ehemaliger Kopf einer Elektroband, Komponistin, leitende Wissenschaftlerin im Social Media Collective von Microsoft Research und hält eine Gastprofessur am MIT Center for Civic Media. Crawford forscht nämlich zu den Themen gesellschaftlicher Wandel und Medientechnologien und schreibt derzeit an einem Buch über den Zusammenhang von Daten und Macht. Außerdem arbeitet sie an dem perfekten Twitter-Stream.

In den Daten, die angeblich das Öl des 21. Jahrhunderts sind, lauert Gefahr, und die will begleitet werden. Crawford schreibt in einem ihrer jüngeren Meinungsstücke, das Big Data innerhalb des Kapitalismus verortet:

“(...) Die bewusste Realität von Big Data ist mit einer Art Überwachungsangstgefühl durchflutet – die Angst, dass all die Datensätze, die wir täglich preisgeben, zu viel über uns verraten und uns aber auch gleichzeitig falsch darstellen. Diese Angst ähnelt einem Neonlicht im dunklem Korridor – es zeigt gleichzeitig zu viel und zu wenig. Dieses Angstgefühl ist zeitlich zukunftsorientiert: Es ist eine Erwartungsemotion, eine Erwartung von Risiko, Belastung und Versagen. In ihrem scharf kritischem Manifest 'We Are All Very Anxious' argumentiert die britische Gruppe Plan C, dass Angstgefühle das dominante Affekt unserer jetzigen Phase des Kapitalismus seien und politische Hoffnungslosigkeit, Unsicherheit und soziale Spaltung erzeugen."

Information oder Desinformation als treibende Kraft: So macht es absolut Sinn, dass gerade Kate Crawford sich jüngst mit Trevor Paglen (den wir bereits ankündigen durften) und der Konzeptkünstlerin Jenny Holzer über ihre Arbeit und neue Ansätze in den Informations- und Kommunikationsbedingungen der heutigen Gesellschaft unterhielt. Text und Zahlen können beide als Kunstform verstanden werden, zumindest im Digitalen sind beide auch untrennbar miteinander verbunden.

Gerade in dieser Verbindung liegt ein großes Potential für Fehlinterpretationen, dem entgegengewirkt werden muss: Der Council for Big Data, Ethics and Society, dessen Vizepräsidentin Crawford ist, hat zum Ziel, kritische soziale und kulturelle Perspektiven auf Big Data-Initiativen zu liefern. Der Rat bringt ForscherInnen aus verschiedensten Disziplinen, wie der Anthropologie, Philosophie, Wirtschaft und Recht, zusammen, um zu Themen wie Sicherheit, Privatsphäre, Gleichheit und Zugang zu beraten und um so die Wiederholung der bekannten Fehler zu vermeiden. Von diesen berichtet sie in ihren zahlreichen akademischen Publikationen. Durch öffentliche Kommentare, Veranstaltungen, White Papers und direktem Best Practice mit Datenanalyse-Projekten setzt sie gemeinsam mit KollegInnen Rahmenbedingungen für ForscherInnen sowie die Öffentlichkeit in den Stand, die sozialen, ethischen, rechtlichen und politischen Fragen, die das Big Data-Phänomen mit sich bringt, verstehen zu können.

Eine der größeren Fragen für Crawford in der letzten Zeit ist: Wie können wir das radikalisierende Potential in den Überwachungsängsten der Ära von Big Data aktivieren? Sie postuliert in ihren eigenen Profilen ganz offen: Your search queries will outlive you! (Twitter) und “divorce your metadata”. Gerade deswegen finden wir es einen großen Gewinn, mit ihr die Querverbindungen zum re:publica-Programm und vielen vormaligen SpeakerInnen im Mai offenlegen zu können.

@katecrawford

Bildernachweis: Kate Crawford

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