Wir nennen es Arbeit: Der Wandel kommt, aber wer profitiert davon?

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Town Hall Meeting for "Work 4.0"

Coworking, Clickworking, Crowdworking. Dass diese Begriffe in unserem Vokabular schon gängig geworden sind zeigt, wie weit sich die Digitalisierung in der Arbeitswelt etabliert und sie verändert hat. Aber was bedeuten diese Veränderungen für die Arbeitswelt genau? Fördern sie endlose Flexibilität? Wenn ja, zu welchem Preis? Können alle an diesen Vorteilen teilhaben oder nur eine kleine, exklusive Gruppe von Menschen? Diese und weitere Fragen wurden auf dem "Call it Work"-Track der re:publica TEN diskutiert.

Am Tag 2 der re:publica nahm Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, an einer “Town Hall”-Diskussion zum Thema Work 4.0 teil. Work 4.0 ist ein von der Bundesregierung geförderter Dialog zum Thema Arbeit und Zukunft. In der Diskussion wies Ministerin Nahles darauf hin, dass sich zwar viele mit der Transformation von Arbeitsplätzen durch Technologien beschäftigen, doch nur sehr wenige besprechen und analysieren, was das für die eigentliche Arbeit bedeutet. Wird zum Beispiel die digitale Ära für flexible Arbeitsstunden für alle Beschäftigte sorgen und nicht nur für die so genannten “Digital Natives”? Weitere Diskussionspunkte der Town Hall waren die Rechtslage von Coworking Spaces, wie Firmen mehr Menschen mit Behinderungen einstellen können und wie Regierungen auf die Möglichkeiten von maschinellem Lernen und immer leistungsfähigeren Algorithmen – die möglicherweise Millionen von Arbeitsplätzen verändern oder sogar überflüssig machen könnten – reagieren sollten.

Das Wirtschaftssegment der “Sharing Economy” wächst von Jahr zu Jahr und wird von neuen Unternehmensformaten wie Uber und AirBnB angetrieben. Aber je mehr diese Firmen wachsen, desto mehr verlieren sie ihre demokratischen Prinzipien. In seiner Keynote “How Platform Cooperativism Can Unleash the Network” diskutierte Trebor Scholz, Professor für Kultur und Medien an der New School in New York, wie der Begriff “Sharing Economy” eine Fehlbezeichnung geworden ist. "Sharers", also Teilende, werden selbst geteilt und ihre Vorteile von diesen Firmen mehr und mehr abgegriffen anstatt gerecht „geshared“. Als Alternative zu diesem System stellte Scholz die Plattform-Kooperative vor. Warum sollten wir unbedingt auf Plattform aus dem Silicon Valley angewiesen sein, um Sharing Services zu nutzen? Scholz plädiert dafür, dass wir die Technologien und Konzepte hinter diesen Firmen nutzen, ihre Konzernstrukturen jedoch weglassen und durch organisierte Kooperativen ersetzten. Selbstgebaute Plattformen könnten der Schlüssel sein, um gesellschaftliche Prinzipien und gemeinschaftlichen Wohlstand zu realisieren.

An Tag 1 und 3 veranstaltete re:publica-Partner Microsoft Deutschland drei Sessions zum Thema, wie Technologien Veränderungen in der Arbeitswelt herbeiführen. In der Session “#Schichtwechsel: Hilfe, die Roboter kommen – Bedrohung, Invasion oder Chance?” diskutierten Juliane Leopold, Sabine Bendiek (Microsoft Deutschland) und Stefan Heumann (Stiftung Neue Verantwortung). Roboter und maschinelles Lernen haben das Potenzial, viele Arbeitsbereiche drastisch zu verändern. Das führt nicht unbedingt zu einem Arbeitsstellenabbau. Bendiek zeigte, wie solche Innovationen Bereiche wie die Gesundheitsversorgung revolutionieren können und zu Verbesserungen von Diagnosen und Behandlungen führen. Letztlich sei es weiterhin der Mensch, der die Informationen auswertet und Entscheidungen trifft. Aber natürlich würden manche Arbeitsbereiche Stellen einbüßen müssen, je mehr Automatisierungsprozesse eingeführt würden. Der Finanzbereich sei zum Beispiel stark davon betroffen, so Heumann. Wichtig sei es, dass Unternehmen und Regierungen sich dieser Entwicklungen bewusst sind und sich darüber Gedanken machen.

Big Data im Arbeitsbereich ermöglicht den ArbeitgeberInnen, eine enorme Menge an Informationen über ihre Angestellten zu sammeln und auszuwerten. Das wirft Fragen auf, wie sich ArbeitnehmerInnen in Zukunft verhalten werden, und ethische Überlegungen, was man mit diesen Daten machen kann und darf. Die von der Hans Böckler Stiftung präsentierte Session “Big Data und Arbeitnehmer: Zwischen Selftracking & Corporate Panopticon” versammelte Andrea Kocsis (ver.di) und Andreas Dewes (QuantifiedCode) und wurde moderiert von Johannes Kleske. Kocsis fragte, ob nicht mehr Überwachung am Arbeitsplatz Angestellte zu “Menschen-Robotern” macht, deren einzige Aufgabe es sei, ohne jegliche menschliche Innovation zugewiesene Aufgaben zu vollbringen. Dewes beleuchtete das Problem vom blinden Vertrauen und der Intransparenz von Algorithmen und zog Schlussfolgerungen: Algorithmen seien standardmäßig nicht neutral und einseitig. Es sei oft schwierig nachzuvollziehen, wie ein Algorithmus zu einem Resultat kommt.

Das kann eine Herausforderung für ArbeitgeberInnen darstellen, die auf Algorithmen-basierte Entscheidungen rechtfertigen müssen. Das Fazit: Je mehr die Arbeitswelt und Arbeitsmethoden digitalisieren, desto mehr bleibt der menschliche Faktor ein wichtiger Teil dieser Prozesse. Grundrechte müssten weiterhin geschützt bleiben – idealerweise durch umfassende Richtlinien beim Datenschutz.

Das Netz ermöglicht mehr Chancen auf kurzzeitige und flexible Beschäftigungen denn je zuvor. Flexibilität hat aber seinen Preis. Die Nachteile von neuen Arbeitsstrukturen wurden im Panel “Crowdworking Behind the Screen – Clickworking & Labor Rights” von Steven Hill, Christiane Benner und Sarah T. Robert diskutiert und moderiert von Max Hoppenstedt. Durch die Einführung von “Clickworking” gäbe es Unternehmen mit wahnsinnig hohen Disparitäten in der Beschäftigung. Die Freelancer-Plattform Upwork zum Beispiel beschäftigt 250 Vollzeitangestellte – mit vermutlich standardmäßigen Arbeitsschutz –, die fast zehn Millionen FreiberuflerInnen beaufsichtigen, die wiederum nicht von diesem Schutz gedeckt sind. Die Systeme von Firmen wie Uber, Amazons Mechanical Turk und Upwork sind so angesetzt, dass AktionärInnen von allen Vorteilen profitieren können, jedoch keine Risikopositionen übernehmen müssen. Die Risiken bleiben bei den Freelancern und ZeitarbeiterInnen. Diese Ungleichheit könnte durch engagierte Lobbyarbeit von Gewerkschaften und Projekten wie das Turkopticon in Frage gestellt werden. Gefährdete ArbeitnehmerInnen hätten so eine Chance, sich über Arbeitgeber auszutauschen und beraten.

Das war ein kurzer Überblick der Highlights des "Call it Work"-Tracks. Schaut auf der zugehörigen Track-Seite vorbei, um mehr zum Thema zu erfahren.

Bildnachweis: re:publica/Gregor Fischer  (CC BY 2.0)

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